Für die Liebhaber des offenen Kanumarathon gibt es nur wenige Angebote in Deutschland, und einer davon ist der Bodenseemarathon, der jedes Jahr Mitte Juni in Iznang gestartet wird und über den Untersee führt. Bei meinen bisherigen Teilnahmen an dieser anspruchsvollen Veranstaltung habe ich immer die Langstrecke (42 km) gewählt, aber dieses Jahr wollte ich einmal die immer populärer werdende Halbmarathonstrecke für einen Tempotest für mein neues Boot ausprobieren.
Die ‚kurze‘ Distanz erstreckt sich nur über 21 Kilometer, aber meine weite Anreise hat sich trotzdem gelohnt, weil man in Iznang einfach viele alte Bekannte wiedertreffen und zwei Tage lang über Paddeln und Boote fachsimpeln kann. Auch ist die Region einfach wunderschön, was sicherlich eine wesentliche Erklärung für die stetig steigende Teilnehmerzahl bei dieser Veranstaltung ist. Die Veranstalter vom KC Singen und dem Bodensee-Kanu-Ring legen sich jedes Jahr gewaltig ins Zeug, um den Aufenthalt am Untersee für die Teilnehmer zu einem Jahreshighlight zu machen. Nach dem Rennen gab es verschiedenste kulinarische Angebote, und auf einer kleinen Bootsschau konnte man Kajaks verschiedenster Hersteller probefahren.
Aufgrund des mitunter zu dieser Jahreszeit schon recht warmen Wetters wurde der Start erstmals von 10 Uhr auf 9 Uhr morgens vorverlegt. 237 Teilnehmer in 209 Boote waren zur entsprechenden Zeit also auf dem Wasser, um sich für den Startschuss des Massenstarts aller Klassen und Strecken warm zu fahren. Nach dem Startsignal geht erst einmal ziemlich die Post ab, zumindest bei den etwas ambitionierteren Teilnehmern – man will die Seiten- oder Heckwelle etwa gleichwertiger Mitstreiter erwischen, um darauf surfend zu etwas Kraft zu sparen, während die potenziellen ‚Kraftspender‘ dies eher zu verhindern trachten. Kanumarathon ähnelt in renntaktischer Hinsicht tatsächlich sehr dem Radfahren, wo es auch darauf ankommt, die richtige Gruppe zum Mitfahren zu finden. Nicht jeder Kanute jedoch ‚fährt Welle‘, manchen ist dies zu hektisch, und nicht immer findet man die richtigen Partner. Ich selbst als Seiteneinsteiger in den Sport und ‚Mid-Packer‘ kam am Start wie üblich nicht so gut weg wie die gelernten Rennpaddler und fand ‚meine‘ Gruppe erst nach etwa fünf Kilometern – die Cracks waren ohnehin schon längst am Horizont verschwunden. Im Rudel ging es dann bei strahlendem Wetter am alten Reichenauer Kloster vorbei auf den Bruckgraben zu, eine enge Straßenunterführung, die etwa bei Streckenkilometer 10 liegt. Hier musste man wegen des hohen Wasserstandes ziemlich den Kopf einziehen und das Paddeln flach führen, um nicht anzuecken – hinter mir krachte prompt ein Paddel gegen die Betondecke.
Um die Reichenau herum gab‘s ein wenig Flachwasser und Kraut, was vor allem bei Booten mit Unterflursteuer bremsend wirken kann. Ich selbst legte auch einmal sicherheitshalber den Rückwärtsgang ein, um mögliche Seegrasbanderolen loszuwerden. Danach begann dann für uns Halbmarathonis auch schon die Rückfahrt nach Iznang, während die Langstreckler weiter geradeaus Richtung Stein am Rhein fuhren. Unsere Vierergruppe (je ein Seekajak, Surfski, Rennkajak und Tourkajak) blieb bis zwei Kilometer vor dem Ziel zusammen und wechselte einigermaßen effizient in der Führungsarbeit durch. Danach zogen ich das Tempo etwas an, und schon nach ein paar hundert Metern hatte ich nur noch einen Surfski mit Thomas Heyde aus Vallendar auf der Seitenwelle. Ich begann schon einen brutalen Endspurt zu fürchten, was nicht so meine Sache ist, aber wir einigten uns dann im Gespräch darauf, sowohl Tempo als auch Reihenfolge beizubehalten – uns war nicht mehr nach Heldentaten. Im Ziel hatten wir die Strecke in immerhin 1:51:35h geschafft, was einem äußerst zufriedenstellenden Durchschnittstempo von 11,3 km/h entsprach und mir Platz 10 von 76 männlichen Startern einbrachte. Die Spitzengruppe, alle in richtigen Rennkajaks unterwegs, war schon eine Viertelstunde eher durchs Ziel gegangen.
Nach meinem eigenen, frühen Zieleinlauf war es mir diesmal vergönnt, den Endspurt der erst zwei Stunden später ankommenden Langstreckler als Zuschauer mit zu erleben. Das schnellste aller Boote, ein Rennkajakzweier, legte die 42 km in phänomenalen 03:11:08h zurück und fuhr somit ein Durchschnittstempo von 13,2 km/h! Der Sieger des Marathons im Einerkajak bei den Herren war wie im letzten Jahr Tomas Zastera aus Tschechien, der den Rekord in seiner Klasse auf 03:24:04h verbessern konnte. Bei den Damen hatte im Einerkajak Sarah Zurbrügg-Greenaway in 04:15:07h die Nase vorn. Aber natürlich hatten alle Teilnehmer ihren Spaß an der Sache, die Ambitionierten wie die Genusspaddler. Es wäre schön, wenn Veranstaltungen wie der Bodenseemarathon in Deutschland öfter angeboten werden könnten.
Arnim Kuhn, SSF Bonn